Chinesen sind anders? Deutsche auch! – Teil 1

Tipps für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit China aus erster Hand

China: Wirtschaftsmacht, wichtiger Handelspartner für Deutschland und somit auch Geschäftsfreund. Wie in jeder guten Freundschaft kann es zu Missverständnissen kommen - auch wenn man meint, die wichtigsten Dos und Dont‘s des Gegenübers zu kennen.

Die Projektleiterin im Bereich Hochschulprogramme China bei den Carl Duisberg Centren, Dr. Tingting Brengelmann, erzählt uns, wie Sie Ihren Arbeitsalltag mit Kollegen aus dem Reich der Mitte effektiv und zur beidseitigen Zufriedenheit gestalten.

1. Frau Dr. Brengelmann, würden Sie sich kurz vorstellen?

Mein Name ist Dr. Tingting Brengelmann, geboren und aufgewachsen in Chengdu in der Provinz Sichuan / China. Ich lebe und arbeite seit 2001 in Deutschland. Während der Promotion im Bereich Zweitspracherwerb arbeitete ich als freiberufliche Sprachtrainerin Chinesisch für Deutsche. Als Projektleiterin Hochschulprogramme China der gemeinnützigen Carl Duisberg Centren leite ich ein internationales Team in einem großen Deutsch-Chinesischen Projekt. Ich bin ausgebildete interkulturelle Trainerin. Interkulturelle Kompetenz ist für mich nicht nur das Ergebnis von Arbeitserfahrung in einem fremden Land, sondern eine gründliche Reflexion des eigenen Wertesystems und ein Überdenken gewohnter Verhaltensmuster. Das ist ein ständiger Prozess. Auch meine eigenen Erfahrungen als Chinesin in Deutschland helfen mir dabei, mich in beide Seiten gut einfühlen zu können.

Wieso sind Sie nach Deutschland gekommen?

Schon früh wusste ich, dass ich auch mal etwas Anderes als China sehen wollte. Ich wollte raus, die Welt sehen. Das Studium war für mich die ideale Gelegenheit. Dass es Deutschland geworden ist, verdanke ich eher dem Zufall: Meine Mutter war auf einer Hochschulmesse in Sichuan. Dort erfuhr sie, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern keine hohen Studiengebühren auf staatlichen Unis gibt. Damit war die Entscheidung gefallen: Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen nach Deutschland gereist. Hier habe ich dann Deutsch gelernt. Doch das war schwerer als gedacht.
Nach 3 Monaten Deutsch pauken wollte ich versuchen, in einem Geschäft auf Deutsch einen Handyvertag abschließen. Nach ein paar Sätzen fragte mich der Verkäufer allerdings, ob wir lieber ins Englische wechseln könnten, da er mich kaum verstünde. Deutsch ist sehr schwer zu lernen und von den in China gesprochenen Sprachen weit entfernt. Diese Sprache im Erwachsenenalter zu lernen, ist definitiv eine Herausforderung.

Was war Ihr erster Eindruck, als Sie in Deutschland ankamen?

Meinen ersten Eindruck von Deutschland werde ich nie vergessen. Ein kleiner Kulturschock. Es war eine verregnete Augustnacht in Augsburg und das erste, was ich dachte war: Wo sind alle Menschen? Es war kaum jemand unterwegs. Ich komme aus einer chinesischen Stadt mit ungefähr 10 Mio. Einwohnern, dort ist immer etwas los. Vor allem abends ist durch viele Lichter alles hell erleuchtet. Mein erster Gedanke war: Hier ist ja tote Hose. Als ich am nächsten Tag jedoch durch die wunderschöne Altstadt Augsburgs ging, war alle Skepsis verflogen und ich voller Vorfreude auf mein bevorstehendes Abenteuer.

2. Am 12. Februar beginnt das chinesische Neujahr. Wie kann ich meinen chinesischen Kollegen und Geschäftspartnern eine Freude machen?

Das chinesische Neujahrsfest, auch Frühlingsfest genannt, ist das wichtigste Fest des Jahres für Chinesen auf der ganzen Welt. Der Termin richtet sich nach dem chinesischen Mondkalender und fällt jedes Jahr auf ein anderes Datum – jedoch immer zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar.
Traditionell werden zu diesem Fest innerhalb des Familien- und Freundeskreises rote Umschläge mit kleine Geldgeschenken verteilt. Ein symbolischer Obolus, damit man das Jahr gut übersteht und der Glück bringen soll.

Ist man zum chinesischen Neujahrsfest beruflich in China, punktet man, wenn man seine chinesischen Kunden oder Partner vor Ort zum Essen einlädt und ihnen somit Ehre erweist. Idealerweise bittet man ein bis zwei Wochen vor dem Neujahrfest um einen Termin. Wenn Ihr chinesischer Geschäftspartner Ihr Angebot in den Tagen um das Neujahrsfest annimmt und Ihnen einen Termin einräumt, ist das ein sehr gutes Zeichen. Denn nicht nur chinesischen Restaurants sind in diesem Zeitraum ausgebucht – auch der Terminkalender Ihres Geschäftspartners wird sehr voll sein. Ich versuche, jedes Jahr mit meinen chinesischen und deutschen Kollegen Essen zu gehen. Jeder trägt etwas Rotes, das ist die Glücksfarbe.

Und wie kann ich virtuell eine Freude machen?

Ob vor Ort oder virtuell – es kommt immer gut an, wenn Sie zum Neujahrsfest gratulieren und Frühlingsgrüße aussprechen. Punkten Sie, indem Sie in einem Videomeeting zum Beispiel etwas Rotes anhaben. Wenn Sie dann noch wissen, welches Jahr bevorsteht, dann kann nichts mehr schiefgehen.
Dieses Jahr beginnt übrigens am 12. Februar das Jahr des Stiers.

3. Wie kommen die Deutschen auf dem internationalen Parkett rüber?

Jede Kultur hat ihre Eigenheiten. Die Deutschen wirken oft sehr direkt, genau und sachlich. Das lässt sie sehr gewissenhaft erscheinen, aber auch wenig emotional. Ich gebe ein paar Beispiele dafür, wie sich das konkret in der Zusammenarbeit äußert:

Ein virtuelles Meeting ist anberaumt. Der Zeitdruck ist groß.
Die chinesischen Kollegen beginnen trotzdem ausgelassen mit Smalltalk. Die Deutsche hingegen fangen lieber direkt an. Für Chinesen ist das aber okay. Anpassungen an oberflächliche Unterschiede sind kein Problem, denn Chinesen wissen ja um den guten Ruf der Deutschen auf dem internationalen Parkett.

Andere Dinge wiederum sind tiefer drin: Zum Beispiel die typische Verhaltensmuster.
Deutsche Stärken wie Zeitplanung, Arbeitsplanung und Projektmanagement werden in der chinesischen Arbeitswelt sehr geschätzt. Hier liegt ein großer kultureller Unterschied, der zu Missverständnissen führen kann: Die Deutschen planen vor Projektstart lieber alles bis ins kleinste Detail, vor allem bei hohen Kosten oder Investitionen. Alles wird kalkuliert: Risiken, Kosten, Nutzen. Es gibt einen Plan B. Für Chinesen dauert das oft eine gefühlte Ewigkeit. Chinesen planen kurz und arbeiten sofort los. Sie wollen am liebsten ganz schnell etwas ganz Tolles, ohne viel Zeit mit Planung zu „verlieren“.

Ein typischer Unterschied zeigt sich in den Kommunikationsmustern.
Deutsche wirken sehr direkt. Sie kommunizieren in der Regel präzise, sachlich und wenig gefühlsbetont. Für Chinesen funktioniert das genau umgekehrt. Besonders bei negativen Feedbacks versuchen Sie indirekt und gesichtswahrend zu kommunizieren – bloß nicht zu direkt.

Stellen wir uns ein deutsch-chinesisches Ingenieursteam vor. Der deutsche Ingenieur sieht seinen chinesischen Kollegen an der Produktionsmaschine werkeln. Er erkennt vermeintlich verkomplizierte oder gefährliche Handgriffe oder möchte einfach nur produktiv und gut gemeint Dinge verbessern. Wenn er jetzt sagt: „Vorsicht! Das ist zu gefährlich!“ oder „Das kann man so nicht machen, so wäre es doch viel einfacher“, dann empfindet der Chinese als Gesichtsverlust und als sehr verletzend.

Tipp: Nutzen Sie besser die berühmte Sandwichmethode: Lob – Kritik – Lob. „Sie machen das toll, aber könnten vielleicht das und dieses ändern, aber das war eigentlich echt schon super!“. Dann weiß der Chinese schon SOFORT, wie das gemeint ist. Er versteht auch die indirekte Kritik.

Ein Beispiel zur Zusammenarbeit unter Chinesen in Deutschland aus meiner eigenen Erfahrung:
Ich sollte eine E-Mail an einen chinesischen Kunden schreiben. Da ich den Kunden nicht gut kannte, fragte ich meinen chinesischen Vorgesetzten, ob das von der Tonalität so passen würde. Er las den Text und sagte mir, der Text sei inhaltlich einfach super, wirklich toll, vor allem am Anfang und am Ende. Zur Mitte sagte er nichts. Als ich gehen wollte, fragte er in einem kurzen Satz, ob ich denn gerne lange Sätze möge. Für manche mag das eine Randbemerkung sein, der man nicht zwingend viel Bedeutung schenken muss. Aber für mich war das eindeutig: Es war kein kleiner Kommentar, sondern eine Anweisung. Ich habe sofort den Text mitgenommen und die Sätze im Mittelblock gekürzt.

Tipp: Wenn man sich hier nicht sicher ist, hilft Metakommunikation bzw. Nachfragen: „War das nur ein Kommentar oder soll ich das besser ändern?“.

Ich gebe noch ein Beispiel für unterschiedliche Kommunikation im Arbeitsalltag: Sie sitzen im Büro mit Ihrer chinesischen Kollegin. Es ist kalt, doch Sie lüften kurz, deshalb ist das Fenster geöffnet. Ihre Kollegin blickt raus und stellt fest, dass die Temperaturen in den letzten Tagen wieder gesunken sind. Sie denken sich nichts dabei, denn es stimmt ja! Doch was Ihre chinesische Kollegin eigentlich meint: „Können wir bitte das Fenster schließen, es ist kalt“. Niemals würde sie dies direkt äußern. Stattdessen kommuniziert sie indirekt. Sie müssen zwischen den Zeilen lesen.

Andersherum interpretieren Chinesen in manche Aussagen mehr hinein, als Deutsche eigentlich gesagt haben. Wenn die deutsche Kollegin „A“ sagt, hört die chinesische Kollegin neben „A“ auch „B“ und „C“.

Tipp: Sagen Sie aktiv, dass wirklich nur „A“ gemeint ist, so gehen Sie sicher, dass Sie richtig verstanden werden.

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Lesen Sie demnächst, welche Herausforderungen bei der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit auftreten können und wie Sie am besten mit ihnen umgehen.