Business mit Japan - so klappt's! - Teil 1

Tipps für die erfolgreiche deutsch-japanische Zusammenarbeit

In diesem Jahr blicken alle Augen auf Japan – nicht nur wegen der Olympischen Spiele in Tokio. 2021 jährt sich der Beginn der Handelsbeziehungen und Freundschaft zwischen Japan und Deutschland zum 160. Mal. Trotzdem kommt es in der Zusammenarbeit immer wieder zu Missverständnissen. Koichi Tomizawa ist interkultureller Japan-Trainer bei den gemeinnützigen Carl Duisberg Centren und Experte für die deutsch-japanische Zusammenarbeit. Er weiß, worauf es bei erfolgreichen Geschäftsbeziehungen mit Japan ankommt.

Erfahren Sie in Teil 1 unserer Japan-Reihe alles über die größten Herausforderungen in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit: Wie räumen Sie Missverständnisse aus dem Weg? Wie vermeiden Sie interkulturelle Fettnäpfchen?

1. Herr Tomizawa, was sind die größten Herausforderungen in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit?

In den folgenden drei Punkten liegen meines Erachtens hohes Konfliktpotenzial:

1. Kommunikation

Die größte Stolperfalle ist zugleich der größte Unterschied: Der Kommunikationsstil. Deutsche kommunizieren sehr klar und deutlich. Sie benennen oder beschreiben explizit alle wichtigen Informationen. Das Japanische hingegen ist eine „High Context“-Sprache. So müssen Deutsche zwischen den Zeilen lesen, um den eigentlichen Sinn hinter einer Aussage zu verstehen. Vieles lässt sich erst im jeweiligen Kontext richtig deuten. Verstehen bedarf Fingerspitzengefühl. In der interkulturellen Zusammenarbeit bietet das viel Raum für Missverständnisse.

2. „Entscheiden auf Japanisch"

Eine Herausforderung in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit liegt auch in der Weise, wie unterschiedlich Entscheidungen getroffen werden. Japaner erledigen zwar alle Projekte in kollektiver Teamarbeit, doch das Team ist hierarisch strukturiert. Die Führungskraft entscheidet – und zwar alles, unabhängig von ihrer Fachkompetenz. Niemals werden Entscheidungswege oder Bewertungen in Meetings klar und offen diskutiert, wie es etwa in der deutschen Geschäftswelt typisch ist. Japanische Fachkräfte bringen ihre Meinung nur beratend unter vier Augen an. Sie betreiben sozusagen „Lobbyarbeit“ im Hintergrund. Das finale Sagen haben die Führungskräfte. Dies zieht sich durch alle Ebenen: Alle Mitarbeitenden richten sich nach ranghöheren Kollegen. „Entscheiden auf Japanisch“ dauert für deutsche Partner deshalb oft zu lange.

Für diesen Entscheidungsfindungsprozess gibt es einen festen Begriff: Nemawashi. Ursprünglich aus der Botanik bezeichnet Nemawashi in etwa das Präparieren eines Baumes, damit dieser später samt seiner Wurzeln unbeschädigt verpflanzt werden kann. Stark vereinfacht also: Man „pflanzt“ dem Entscheider seine fachkundige Meinung ein.

3. Arbeitsweise: Ho-Ren-So und Holschuld

Großes Konfliktpotenzial birgt auch die unterschiedliche Arbeitsweise von Deutschen und Japanern. Auf selbständiges Arbeiten legt die deutsche Geschäftswelt großen Wert: Man bekommt ein Projekt, erledigt eigenständig seine Arbeit und gibt es nach Abschluss wieder ab, etwa an den Vorgesetzten.
In Japan ist das ganz anders: Japaner kennen kein selbstständiges Arbeiten. Mitarbeiter müssen ihre Zwischenergebnisse zeigen und von vorgesetzten Personen absegnen lassen. Auf Deutsche wirkt Fragen nach Kleinigkeiten und das häufige Rückversichern ineffizient, unsicher und wenig vertrauensvoll. Doch tatsächlich steckt dahinter eine kulturell fest verankerte Managementmethode: Ho-Ren-So (報・連・相), auf Deutsch in etwa Bericht–Kontakt–Beratung. Zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten besteht also ein permanenter Austausch und Streben nach Kollaboration.

Gleichzeitig gilt in der japanischen Geschäftswelt das Prinzip der Holschuld des Ranghöheren. Es ist die Aufgabe der Chefs, der Auftraggeber oder Kunden, fehlende Informationen bei Mitarbeitern und Partnern einzuholen, oder regelmäßig den Status quo abzufragen. Das wirkt auf deutsche Kollegen schnell kontrollierend. Im deutschen Businesskontext ist es üblich, alle relevanten Informationen eigenständig meist am Ende der Arbeit weiterzugeben. Dieser Unterschied führt oft zu Frust in deutsch-japanischen Teams. Denn durch die deutsche Brille scheint es, als misstraue der japanische Chef oder Kunde und möchte alles kontrollieren.

Diese Holschuld ist fest verankert in der japanischen Gesellschaft: Nur ein „kontrollierender“ Chef ist ein guter Chef. Wer nicht regelmäßig nachhakt oder seiner Holschuld nachgeht, ist desinteressiert – ein schlechtes Zeichen! Ho-Ren-So und Holschuld sind verbunden und gleichen sich aus. Je mehr Ho-Ren-So seitens der Mitarbeitenden, desto weniger muss der Kunde oder Chef der Holschuld nachkommen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Sie haben um 9 Uhr einen Besprechungstermin. Um 8:30 Uhr werden alle Meetingteilnehmer vom „Gastgeber“ angerufen und an den Termin erinnert. Auch so zeigt sich die Holschuld. Der Veranstalter des Meetings holt Informationen ein und stellt sicher, dass alle in einer halben Stunde zum Meeting kommen. Das signalisiert großes Interesse. In Deutschland würde so ein Vorgehen eher als unhöflich gelten.

2. Wie kann ich im Arbeitsalltag interkulturelle Fettnäpfchen vermeiden?

Durch die großen kulturellen Unterschiede lauern in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit viele Fettnäpfchen. Als deutscher Geschäftspartner haben Sie natürlich den Ausländerbonus. Ihre japanischen Kolleg*innen sehen galant über Dinge hinweg, die aus japanischer Perspektive Fehler sind. Kritisch wird es, wenn sich diese wiederholen. Dann ernten Sie sicher den ein oder anderen irritierten Blick. Schwierig ist: Niemand wird Ihnen explizit sagen, dass Sie sich gerade falsch verhalten. Daher merken Sie es in der Regel selbst nicht.

TIPP: Um nicht in Fettnäpfchen zu treten, ist interkulturelles Hintergrundwissen gefragt. Ein Interkulturelles Training mit einem Experten bereitet Sie optimal auf die Zusammenarbeit vor.

3. Wie finde ich dann überhaupt raus, ob ich etwas falsch mache?

Nachfragen – am besten in einem ruhigen Moment und unter vier Augen! Da Kritik niemals explizit – und vor allem nicht vor anderen – geäußert wird, lässt sich schwer erkennen, ob Sie etwas falsch gemacht haben. Japaner bewahren Sie so vor einem Gesichtsverlust. Achten Sie ganz genau auf die Reaktionen Ihrer japanischen Partner. Wenn dieser etwa beginnt, Sie zu meiden oder gar zu ignorieren, sollten bei Ihnen alle Alarmglocken angehen. Im schlimmsten Fall lässt der Partner die Zusammenarbeit sanft auslaufen, ohne Ihnen seine Unzufriedenheit zurückzumelden.

TIPP: Bauen Sie freundschaftliche Beziehungen zu Ihren japanischen Kollegen auf. Dann ist offene Kommunikation durchaus möglich und Sie bekommen eine halbwegs unverblümte Antwort. Fragen Sie unter vier Augen und in lockerer Atmosphäre, etwa beim gemeinsamen Essen, nach offener Kritik: „Tanaka-San*, ich habe das Gefühl, dass ich in der Situation etwas falsch gemacht habe. Wie kann ich das besser machen?“

*Tanaka-San: Das Suffix „San“ hinter dem Nachnamen ist die gängige Anrede in der japanischen Geschäftskultur. Die Bezeichnung entspricht der deutschen Anrede „Herr“ oder „Frau“. Tanaka-San heißt also entweder „Frau Tanaka“ oder „Herr Tanaka“. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen oder den japanischen Geschäftspartner nicht gut kennen, nutzen Sie „Mr.“, „Mrs.“ oder „Ms.“ als formelle Anrede. Spricht der japanische Geschäftspartner Sie mit Ihrem Nachnamen plus „san“ an, ist das ein Zeichen von Nähe und Vertrauen und auch Sie können zu dieser Anrede wechseln.

Lesen Sie demnächst, wie in der japanischen Kultur mit Kritik umgegangen wird und welche Herausforderungen dies für die deutsch-japanische Zusammenarbeit mit sich bringt.